Anliegen oder Exponenten der SVP (oder AfD, FPÖ etc.) als rechtsextrem oder gar faschistisch zu bezeichnen, verstösst gegen das aktuelle political correctness-Regime. Soll sich erstmal abregen, wem die Nazikeule in der Hand juckt. Zu leichtfertig werde die gezückt. Der Vergleich mit den Massenmördern des Dritten Reichs sei nicht statthaft. Bloss; mit Massenmördern vergleicht niemand, aber mit den Haltungen der Menschen, die Nazi-Gräuel ermöglichten oder förderten.
Marlies Küng (*) sieht müde aus. Brot, Milch und Käse hat sie gescannt. Nun nimmt sie den Abholschein für das eingeschriebene Päckchen entgegen und beginnt in den Postkisten zu suchen. Dann richtet sie mehrmals ein Lesegerät auf das Päckchen. Piiip. Endlich. Ich quittiere den Empfang. Frau Küng sinkt seufzend in ihren Stuhl an der Registrierkasse. Sie sei froh. Bald werde sie pensioniert.
Geschafft. Noch nicht ganz, aber na ja. „Gerne entscheide ich zukünftig selber, wofür ich mein Geld ausgebe.“ Dies ist der Hauptgedanke hinter der No-Billag-Initiative. Um ihrem Glück etwas näher zu kommen, schwindelten die Unterschriftensammler der jungen SVP und Jungfreisinnigen so dreist, das war selbst im Politgeschäft unübertrefflich. Hier ein Rückblick und Realitätscheck.
Die Schweiz ist des Wahnsinns – so der Befund eines Schweizer Schriftstellers. Und das drei Tage vor den Parlamentswahlen. In einer deutschen Zeitung! Phuu. Der als Warnruf deklarierte Rundumschlag fährt ein. Die Reaktionen auf Lukas Bärfuss‘ Text offenbaren, was die Schweiz auch ist: intellektuelles Ödland.
In Zeiten von Twitter, TalkTäglich oder Gratis-Zeitung gilt schon als intellektuell, wer sein Repertoire an Textbausteinen eloquent vermarkten kann. Hinter der Beredsamkeit verbirgt sich bei genauerem Hinsehen nicht viel mehr als eine unablässige Schundfabrikation. Den Überredungstextern ist nicht so wichtig, was sie enthüllen, als viel mehr, was sie uns verheimlichen. Beispiele gefällig?
246 Kandidatinnen und Kandidaten haben es geschafft. Mehr oder weniger talentiert trugen sie ihre Liedchen vor. Altbekanntes wurde aufgefrischt, Überraschungen oder gar Gehaltvolles gab es nicht. Immerhin spielte die Band solide. Fertig gebattled fragt sich, was uns die Bettelei um Stimmen brachte? Was bleibt vom Parlaments-Casting 2.015?
Morgens 10 Uhr. Politikerinnen schlürfen Schampus. Andere busserln einander, anstatt im Parlament den Votanten zuzuhören. Dann liegen da auch noch DVD einer US-Fernsehserie auf dem Pult der Nationalrätin. Uns Stimmbürgerinnen darf dieses haltlose Gebaren der classe politique natürlich nicht verborgen bleiben. Schliesslich sollen wir gut überlegte Wahlentscheidungen treffen. Das können wir aber nur, wenn uns JournalistInnen relevante Informationen liefern. Tun sie aber oft nicht.
Bilder repräsentieren Menschen und Lebenssituationen. Anstelle des lachenden Politikers sehen wir dessen Abbild. Er scheint selbstbewusst. Wir sehen das Fotomodell und meinen einen Duft zu schmecken. Verführerisch. Wir sehen den toten Jungen am Kieselstrand liegen. Erschütternd.
Nicht einem Flüchtling die Hand gegeben. Nie je neben einer Asylantin auf den Bus gewartet. Kein einziges Kind auch nur eine Silbe gelehrt. Und doch kriegen sich die Einheimischen schon in die Haare. Die Immigrantinnen haben damit nichts zu tun. Die Menschen hier bekriegen sich auch so.
Wer Somm liest, will sich nicht informieren. Wer Somm liest, braucht Wegweisung. Wer Somm liest, ist orientierungslos. Oder besser; wer die eigene Orientierung ständig neu bestätigen muss, liest Somm. Markus Somm ist in seinen Leitartikeln ganz Leader. Er gibt nicht nur zu denken, er gibt Denken vor.
Kaum haben sich Feuerwalzen und Rauchschwaden verzogen, senkt sich ein eiskalter, eiserner Vorhang über Europa. Kalter Krieg. Tiefe Gräben. Links und rechts davon Raketengürtel, Panzersperren, Todeszonen. Dann aber durchbrechen die Menschen Zäune und Mauern. Der Vorhang fällt. Und jetzt, 30 Jahre später, wird er sacht aber beharrlich wieder zugezogen.
Dammbruch beim Online-Rassismus. Die Schweizerinnen und Schweizer drehen durch. Einige zumindest. Und die sind besonders aktiv. Ob Kommentarspalten oder soziale Medien; scham- und hemmungslos hauen einige ihre angstmachenden und stigmatisierenden Zeilen in die Keyboards. Das Terrain dazu ebnen die Politwalzen der wählerstärksten Schweizerischen Volkspartei SVP. Die poltert so, wie sie schon gegen Minarette, Kosovaren oder Sozialhilfeempfänger polterte. Immer und immer wieder. Oder noch ein wenig mehr.
Wahlveranstaltungen sind ja eher geschlossene Zirkel. Wer mag sich schon die hinlänglich bekannten Parolen unserer Parteien anhören. Weder Gratis-Zopf mit Confi noch Freibier samt Wurst locken disperse Hedonisten an stereotype Gesinnungspodien. Es sei denn, sie sind so frei zugänglich wie öffentliche Orte – am 1. Mai beispielsweise die Langstrasse oder die Halle des Hauptbahnhofs Zürich während einer Werbesause der SVP.
Die Bürgerinnen dieses Landes sind stolz auf die direkte Demokratie. Wer aber behauptet, das Volk sei es, das entscheide, der schummelt. Nicht zu knapp. Unterschlagen wird, dass wenig mehr als ein Drittel der Berechtigten die Stimmzettel einwerfen. Letztlich sind es ein paar Prozent der Gesamtbevölkerung, die bestimmen wo’s langgeht.
Die Debatte um das RTVG Referendum trägt übel riechende Blüten. Volkes Meinung kippt ins Bizarre, ist die veröffentlichte Meinung erst breit und zugleich scharf genug durch beinah sämtliche Sprachrohre gepresst. Die rechtsbürgerliche Weltwoche ist die einsame Spitzenreiterin, wenn es darum geht, Spitzen gegen die SRG abzuschiessen.